Work Hard, Play Hard – dieser Film von Carmen Losmann geht unter die Haut, sofern sie auf Ideologeme eines diktatorischen Systems allergisch reagiert. Es handelt sich um eine Dokumentation zur heutigen Arbeitswelt, die Arbeit mit Lebensraum verschmelzen und ein Wir-Gefühl durch alle Bereiche verströmen möchte, auch wenn es diese gar nicht soll.
Mein Eindruck zu einer Dokumentation, deren Konsequenz noch gar nicht absehbar ist.
“Vielen Dank, dass ich an diesem Prozess teilnehmen darf.” Damit eröffnet ein junger Mitarbeiter ein zweistündiges Beurteilungsgespräch des Personalmanagements, das seine Stärken wie Schwächen, aber vor allem seinen Wert für das Unternehmen herausfinden soll. Ein ausgetüftelter Katalog wird nun anhand psychologisch-rhetorischer Fragestellungen seine Persönlichkeit, Probleme und letztlich seinen Grad an Umsetzung der Firmenphilosophie in Handeln und Denken messen. Und er freut sich darauf.
Nach dem zweistündigen Gespräch beraten sich die drei Prüfer – die Geprüften sitzen in einem Innenhof, alleine, mit ihrem Smartphone beschäftigt, angespannt. Sie machen nicht den Eindruck als wollten sie über das Geschehene nachdenken. Gleichzeitig werten die Prüfer still nebeneinander ihre ausgefüllten Bögen aus. Ihre Ergebnisse werden später mit den Geprüften besprochen und in eine Datenbank aufgenommen, in der Mitarbeiter u.a. in Nutzentabellen dargestellt werden können: Wer ist wie wertvoll für das Unternehmen, wo ist die Gruppe, auf die das Unternehmen verzichten könnte. Ich bin Mensch, also bewerte mich.
Der Arbeitsplatz soll sich dem individuellen Anspruch anpassen können. Es gibt mehrere Typen von Plätzen, die vor Arbeitsbeginn über ein Webformular gebucht werden können: Kleine Tische mit Laptop und Telefon, große Tische mit Computer und Telefon. Und überall befindet sich eine Wand mit schönen Bildern oder Bildschirmen, die Freiheit, Lebensgefühl und Schönheit verströmen sollen. Wären Sie nicht da, würde die Trostlosigkeit der klinikgleichen Kargheit des eigenen Umfelds bewusst werden, das auf die pseudo-psychologische Gleichschaltung der Arbeiterschaft unter dem Diktat menschlicher Kategorisierung zum Alltagsgeschäft macht.
Wie gut, dass extra Gebäude designt werden, die Meeting Points an Kaffeautomaten vorsehen sowie viele Business-Räume und Nischen zur Besprechung – wo aber der Freiraum für Nicht-Arbeit / der Ausgang ist, das weiß niemand, es interessiert auch niemanden.
Forming und Change – Go for it. “Guten Morgen, wie geht es Ihnen heute?” – “Gut, denn ich war gestern nicht da.” (Keine Reaktion) “Was können wir besser machen?” – “Mehr Leute einstellen” (Keine Reaktion)
In kurzen Besprechungen werden dem Team die Arbeitsleistung des Vortages und die Ziele des Unternehmens vorgestellt. Eine Art Gruppentherapie mit Fragen nach dem Wohlbefinden der Kollegen gehört dazu. Die wahren Antworten interessieren aber nicht.
Work Hard, Play Hard. Ein Dokumentarfilm, der immer wieder versteckt die Sinnlosigkeit, Entmenschlichung im Gewandt der Reifung des Individuums in der Gruppe und eine Spur Sarkasmus zeigt, z.B. das statische Filmen eines menschenleeren Besprechungsraumes, bei dem die Jalousie automatisch herunterfährt.
Schaut euch den Film an – hört euch an, was die Regisseurin zu sagen hat. Ich weiß nicht, ob die Worte von Stéphane Hessel passen, aber sie sind das einzige, was mir in diesem Zusammenhang als Fazit einfällt:
Wir rufen deshalb auf: „zu einem friedlichen Aufstand gegen den Missbrauch der Massenkommunikationsmittel und der Verführung unserer Jugend zum Massenkonsum, der Verachtung der Schwächsten und der Kultur, der kollektiven Amnesie sowie der maßlosen Konkurrenz – Jeder gegen Jeden“.
Allen Menschen, die das 21. Jahrhundert gestalten werden, sagen wir mit unserer ganzen Zuneigung: „SCHÖPFUNG IST WIDERSTAND. WIDERSTAND IST SCHÖPFUNG.“