Keiner hat mehr Bock

Warum ist das so? Es sind die kleinen Phänomene im Studiengang Medien und Kommunikation an der Uni Passau. Erst vor kurzem wurde das Zentrum für Medien und Kommunikation eingeweiht. Jeder konnte beim anschließenden Tag der offenen Tür die moderne TV- und Audiotechnik bewundern. Im Hintergrund schwelen Fragen zur Refinanzierung von mehr Lehrpersonal für dieses neue ZMK. Aber das ist nicht alles. Wo sind die Medienstudenten, die vor dieser Innovation für ihr Studium zelten, sabbern und einfach nur noch loslegen wollen, etwas zu machen: Furzfernsehen, Katzenblogs, Hitradios…?

Player im Digitalen

Bei den MuK-Karrieretagen wurde über die Jobaussichten / Karrieremöglichkeiten von uns Medienstudenten im Journalismus gesprochen und es wurde sich auch gewundert: Warum bloggt ihr denn nicht, warum habt ihr kein Xing etc. “Ihr müsst euch doch ausprobieren, Referenzen aufbauen und vor allem warum seid ihr nicht geil darauf?” scheppert es da zwischen den Zeilen des Artikels hervor.

Auf der anderen Seite erlebe ich Kulturwissenschaftler und Informatiker, die Blogs starten, Instagram erobern und schlicht ihre Rolle als Player im Digital wahrnehmen – ganz unabhängig von jeglicher journalistischer Aktivität. Und das sicherlich auch nicht, weil sie so tolle Programmierer sind oder mehr von Medien verstehen als jeder andere Durchschnittsstudent. Sie haben einfach Bock drauf – it´s just a click.

Es braucht mehr Lehrveranstaltungen

Ja, natürlich, aber diese sind zum großen Teil auch schon bei MuK vorhanden: TV-Journalismus – jetzt mit verfügbarem Fernsehstudio, Radiojournalismus – jetzt mit modernem Radiostudio oder z.B. Übungen im Digital Publishing, Story Telling etc. Dennoch höre ich von Mitstudierenden, dass die Stimmung in diesen Seminaren eher gedämpft ist. Man wartet auf die Einschätzung des Dozenten, wagt wenig Selbstinitiative zu ergreifen oder den Freiraum für eigene Spielchen einzufordern – es wird halt das Geforderte gemacht, nicht mehr.

Auch ich selbst bin von dieser Einstellung betroffen: Es wird für die Note, den Abschluss dieses Seminars gemacht, um einfach fertig zu werden.

Für was eigentlich?

Die Lust auf Universität ist generell scheinbar nicht mehr hoch unter Studierenden: Einführungsvorlesungen sind auch in anderen Studiengängen nach den ersten Wochen relativ leer. Ein Professor sagt mir dann im persönlichen Gespräch, dass früher die Vorlesungen in Politik pulsiert haben: “Da saßen z.B. die Marxisten, die irgendwann “Scheiß Faschisten” reingerufen haben etc. Jetzt ausdruckslose Gesichter und bloß kein Diskurs.” Wir alle kennen die Gründe: angefangen von Bologna bis hin zur Politik, die lieber Renten finanziert als sich um den Nachwuchs zu kümmern.

Aber warum ist bei MuK die Medienmotivation so gedämpft? Vielleicht liegt es an dem, was uns nach dem Studium erwartet (erste 20 Minuten):

Wir haben Ideen und Potentiale, aber nicht die Macht

Klingt sehr pathetisch, wie vielleicht auch ein paar Zeilen darüber. Während der Bayerische Rundfunk sein Durchschnittsalter der Zielgruppe schrittweise auf die 70 navigiert oder Volontariate bei anderen Medienfirmen nur noch mit WG-Wohnsituation (z.B. in München) möglich werden, hätten wir Ideen und Potentiale das Desinteresse in der weggebrochenen Zielgruppe klassischer Medienhäuser etwas aufzufangen – sofern das noch geht. Doch wo können wir denn, Hand auf´s Herz, moderne Medienarbeit auf journalistischem Sektor abliefern, wo ist sie denn überhaupt gewollt? Bei PR Agenturen lassen sich moderne Image-Filme drehen, Homepagekonzepte entwerfen oder die APIs von Social Media Anwendungen einmal durchs Smartphone peitschen.

Du möchtest eine Podcastrubrik bei einem Lokalradio einführen und lokale Podcaster ins Programm integrieren? Viel Spaß bei den 2 Minuten Diskussion bei einer beliebigen deutschen Radiostation. Ähnlich wird es wohl bei Zeitungen und Fernsehstationen laufen – ich habe hier keine Erfahrungen. Wir können uns den Bereich für unsere Potentiale nicht nur schaffen, er muss auch angeboten werden und diesen sehe ich im journalistischen Sektor 0,0.

Benjamin Hartwich

Benjamin Hartwich, M.A. Medien- und Kommunikationswissenschaften. Privat betreut er mehrere Webprojekte, bloggt und podcastet. In seiner Freizeit gestaltet er seinen eigenen Webradiosender. Mit 14 Jahren hat er ein Schulradio in Augsburg aufgebaut. Neben dem Studium arbeitete er 6 Jahre beim Campusradio Campus Crew als Moderator, Technikleiter, Musikchef und Programmchef mit.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Lieber Benjamin,

    herzlichen Dank für diesen Einblick in die Studenten-Seele. Was ich dazu sagen kann? Nun: Warum orientiert Ihr Euch eigentlich so sehr in Richtung klassische Medienhäuser? Seid nicht so passiv, lasst Euch nicht runterziehen. Ja, es ist schwer, einen Job oder auch nur einen Ausbildungsplatz zu bekommen – aber das war auch früher nicht anders. Da haben sich auch schon 2000 Leute auf 45 Plätze bei der Journalistenschule beworben, gab es NCs für Journalistik, konnten sich die Medienhäuser ihre Volontäre aussuchen.

    Was Ihr aber in Passau habt, ist genial: Nämlich nicht nur technisch hervorragende Rahmenbedingungen durch das ZMK, sondern auch niedrige Lebenshaltungskosten, ein großes kreatives Potential – und die Möglichkeit zu spielen und auszuprobieren. Und genau das ist es, was ich von jungen Studierenden fordere: Probiert Euch aus. Wagt etwas. Lernt die Medien zu beherrschen, macht Euer eigenes Ding – und werdet zu Menschen, die von Arbeit- und Auftraggebern gesucht werden. Schaut Euch doch mal Projekte an, die von jungen Menschen einfach aus dem Bauch heraus gestartet wurden und inzwischen den etablierten Medienhäusern vormachen, wie Journalismus heute geht. Schaut Euch doch mal den erfolg von z.B. Fupa.net oder der Tegernseer Stimme an. Das könnt Ihr auch – und übrigens nicht nur in der Region Passau, sondern mit den Möglichkeiten des Internet weltweit. So etwas wie heftig.co (was jetzt nur bedingt als Beispiel herhalten, da die Inhalte größtenteils kopiert sind), hätte auch in Passau entstehen können – vielleicht auch mit journalistischem Ansatz.

    Journalismus ist mehr Berufung als Beruf. Das muss in die Köpfe. Niemand wartet auf Euch. Nur Ihr allein entscheidet über Eure Karriere. Das sollte man annehmen und das Beste daraus machen. Ergreift also die Initiative, probiert Euch aus, denkt wie Start-Ups, scheitert, lernt daraus, steht wieder auf – und alle Türen stehen Euch offen. Nur zu erwarten, dass sich jetzt langjährig verkrustete Strukturen für Euch öffnen, ist leider zu kurz und sehr naiv gedacht.

    1. Danke für diese Infos und Ausführung. Sehe ich in weiten Teilen genauso und wie man sieht, versuche ich das auch zu beherzigen. Mir ging es nur darum, eine gute Analyse – überhaupt einen Grund auch für mich feststellen zu können – warum um mich herum meine Kommilitonen am Rad drehen und so hinterm Berg halten, was ihre Motivation anbelangt. Das ist dann auch für die 5%, die viel probieren wollen, schwer etwas zu machen.
      Ich finde diese zwei Seiten der Medaille wichtig. Es braucht auch etwas Aussicht – nennen wir es einen Funken. Und der kommt bei diesen vielen Kleinigkeiten: Bologna, Jobsituation etc. weniger an die Oberfläche.

      1. P.S. Ich bin am Freitag und Samstag wieder zu einer Lehrveranstaltung in Passau. Wenn da ein par Studenten Lust darauf haben, können wir gerne Freitag Abend eine kleine Diskussionsrunde oder einen lockeren Stammtisch organisieren. Ich würde mich freuen.

  2. Johanna Pfingstl

    Ich muss sagen, dass ich das leider auch feststellen musste. Ich muss allerdings sagen, dass es sich dabei wohl um ein Phänomen handelt, das in erster Linie die MUK-Studenten betrifft. Da ich zusätzlich Staatswissenschaften studiere bekomme ich ganz gut mit, wie es in anderen Studiengängen läuft. Bei den Politiktagen z.B. waren bei Keiner Veranstaltung weniger als 300 Studenten da. Bei einer Podiumsdiskussion am !Freitag Abend! waren knapp 200 Zuhörer. Vielleicht liegt es daran, dass Putin, Krim und Co. heute mehr interessieren als PR und guter Journalismus … Vielleicht sollte man deshalb heute eher von Medienverdrossenheit anstatt von Politikverdrossenheit sprechen.

  3. Florian Reinold

    Bin gerade über diesen schon etwas älteren Artikel von dir gestolpert.

    Ich sehe das Problem, neben der von dir erwähnten “es ist doch eh nur für dieses eine Seminar”-Mentalität, auch in der Gefahr, vom Selbstzweck des MuK-Studiums komplett eingelullt zu werden. Es wird viel über die handwerklichen und technischen Seiten des Journalismus oder von PR gesprochen und gelehrt, aber es passiert (zumindest zu meiner Zeit, WS 08/09 – SS 12) wenig auf thematischer Seite. Es fehlt an kreativen Seminaren, an mehr Politik- und Kulturbildung um Lücken in der regionalen und überregionalen Medienlandschaft auszumachen, die das Potential für eine interessantes Medienprojekt (in welcher Form auch immer) bieten würden. Der MuK-Studiengang hat in dieser Sparte tatsächlich wenig Nachhaltiges hervorgebracht. Ich habe zig Projekte “geliked” und verfolgt, die nach einem Semester wieder tot waren.

    Da kommt aus den anderen Studiengängen – und das meist außerhalb eines Seminars (!) – deutlich mehr. Ich bin selbst am http://passauwatchingthailand.com/ – Blog beteiligt. Der Kern der mitwirkenden Studenten stammt aus dem Kuwi- und Südostasienstudienfeld, betreibt aber mittlerweile seit über einem halben Jahr einen deutschen Watchblog, der sich in der SOA-Szene was Hintergrundberichterstattung betrifft bereits einen guten Namen gemacht hat. Die journalistische Arbeit des Blogs ist wirklich gut, die Stilistik lässt aufgrund mangelnder professioneller Ausbildung manchmal zu wünschen übrig, aber die Bloggergruppe gibt ihr Bestes und ist mit Leidenschaft dabei. Im MuK-Feld scheint es mir so, als hätten die Studenten keinerlei Interessen außerhalb der Medienlandschaft an sich und das ist meiner Ansicht nach das Hauptproblem, warum zu wenig von den MuK-Studenten kommt. Der Großteil scheint ideenlos und unkreativ zu sein, ja über was will ich denn eigentlich schreiben/podcasten/ein Video produzieren?

    Ich weiß nicht inwiefern man studiengangsgestalterisch wirklich gegensteuern könnte. Zumindest meinem Verständnis nach könnte man auch von angehenden MuK-Studenten erwarten, dass sie gesellschaftspolitisch/kulturell/sportlich/etc. relevante Interessen bei Studienbeginn besitzen, schließlich werden sie später in irgendeiner Form mit solchen Themen in Berührung kommen, sollten sie weiter in der Medienlandschaft arbeiten. Die Erwartungen sind aber vielleicht an die heutige Studentengeneration zu hoch gesetzt? Ich finde es ist von enormer Bedeutung sich als Journalist für ein Thema begeistern zu können, Feuer zu entfachen, neue Ideen zu haben, andere Sichtweisen zu entdecken – dafür braucht es aber auch einen gewissen Pool an Grundinteressen.

    Die anderen Studiengänge an der Philo-Fakultät wie Kuwi und Governance verstehen es viel besser für Themengebiete zu begeistern (sollte ja auch ein Ziel der Studiengänge zu sein) und schaffen es aber gleichzeitig das nötige theoretische Fachwissen (BWL, Staatstheorie) für ihre Absolventen aufzubereiten. MuK scheint da in einer Theorie- und Praxisausbildungsfalle, die ohne Zweifel in Passau nicht schlecht ist, festzusitzen – es fehlt an Begeisterung bei den Studenten, zwar nicht für die Arbeit im PR oder Journalismus an sich, sondern für die Inhalte, die diese Arbeit mit sich bringt.

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