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Pfeifensteckplatz

Das Innenleben einer Orgel

Nach längerer Pause versuche ich wieder regelmäßig etwas Orgel zu spielen und habe eine schöne (ältere) Orgel in der Pfarre Schardenberg gefunden. Als ich neulich wieder etwas spielen wollte, war die alte Dame nackt: Mehrere Register hingen, manche Tasten bzw. Pedalzüge waren in manchen in Registern nicht hörbar. Scheinbar hatte meine kleine Mail zum Zustand der Orgel etwas bewegt.

Das war für mich Anreiz genug, mir die mechanische Orgel genauer anzusehen und mich mithilfe von Wolfgang Adelungs Einführung in den Orgelbau näher mit der Funktionsweise zu beschäftigen.

Wenn wir normal vor einer Orgel stehen, sehen wir den so genannten Prospekt. Das sind die sichtbaren Orgelpfeifen, die in vielen Kirchen kunstvoll angeordnet und verziert sind. Es gibt auch die spezielle Form des Rückpositivs: hier sind meistens in zwei große Säulen hinterhalb des Organisten große Pfeifen angeordnet, die direkt zur Gemeinde klingen. So wird akustisch und visuell das Zusammenspiel von Vorsänger und Alle deutlich. Der Prospekt zeigt immer nur einen geringen Teil der Pfeifen einer Orgel. Im Orgelgehäuse ist der Großteil der Pfeifen versteckt. Dieses Gehäuse ist hinterhalb des Prospekts und durch so genannte Windladen verdeckt. Bei kleineren Orgeln wie in Schardenberg sind das die Holzplatten des Orgelgehäuses:

Wenn die Windladen abmontiert sind, ist relativ viel ersichtlich und fast selbst erklärend (von links nach rechts): Die gesamte Orgel ist aufgeteilt in das Untergehäuse, in dem Traktur und der Blasebalg untergebracht sind und in das bereits erwähnte Orgelgehäuse. Hier sind die einzelnen Pfeifenreihen pro Register aufgereiht – ganz vorne der Prospekt sichtbar. Die vielen Holzstreben bilden die Steuerung der Orgel vom Spieltisch zu den Pfeifen.

Die Traktur ist die Ventilsteuerung der Pfeife. Diese kann mechanisch, pneumatisch oder elektrisch erfolgen. Bei der Orgel in Schardenberg handelt es sich um eine komplett mechanische Orgel: Sowohl die Tasten des Spieltisches als auch die Register sind mechanisch mit den Pfeifen über Holzstreben verknüpft. Bei einem elektrischen Spieltisch würden Kabel zur Ventilsteuerung führen und bei einer pneumatischen Orgel würde Druckluft über Rohre zu den Pfeifen transportiert werden. Die Funktionsweise der Traktur werde ich in einem eigenen Artikel näher schildern.

Alle Streben führen zum Spieltisch. Hier werden die Register gezogen, die jeweils beim Drücken einer Taste hörbar sein sollen. Eine Orgel umfasst ein oder mehrere Manuale und ein Pedal und je nach Ressourcen beim Bau der Orgel über viele oder wenige Register. Im Pedal liegen die tiefen Töne, die eine Oktave weit auch noch am unteren Ende des Manuals liegen. Wenn ein Register gezogen wird, wird die jeweilige Holzlattenreihe aktiviert – daher verlaufen die Streben der Traktur auch quer über alle Register pro Ton. Da die eigentliche Traktur nie sichtbar ist, kann ich nicht abbilden, was genau beim Drücken einer Taste bzw. beim Ziehen eines Registers passiert, aber im dritten Bild von links sieht man, wie ein aktiviertes Register (ganz links) aussieht.

Damit überhaupt ein Tor hörbar wird, muss ein Motor den Blasebalg aufpumpen, der innerhalb einer Orgelpfeife dann für eine stehende Welle sorgt. Wir wissen ja, dass ein Ton nichts weiter als eine Welle auf dem Träger Luft ist, die je nach Tönhöhe mit einer gewissen Amplitude schneller oder langsamer schwingt (Frequenz). Warum stehende Welle? Erst durch die Reflexion einer solchen Welle innerhalb der Orgelpfeife entsteht ein Ton – einer Welle muss vereinfacht gesagt eine Grenze gesetzt werden, damit aus ihr ein Ton werden kann. Die verschieden hohen Pfeifen sorgen dafür, dass die entsprechende Frequenz überhaupt entstehen kann: Physikalisch hängen Frequenz, Schallgeschwindigkeit und Wellenlänge zusammen. Um die Wellenlänge und damit die Länge einer Orgelpfeife herauszufinden, muss der Bruch aus Schallgeschwindigkeit durch Frequenz gebildet werden. So ergibt sich z.B. für den tiefsten Ton der Orgel im Bordun Register (C, 16,3 Hertz) eine Pfeifenlänge von 20,8m. Auf dem Register wird daher in Fuß 32′ angezeigt.

Die Schallgeschwindigkeit ist übrigens von der Temperatur abhängig, d.h. Kirchenheizungen, direkte Sonneinstrahlungen sind nicht gut für die Orgel – vor allem weil dadurch das Holz spröde wird. Deswegen liegt auch das nasse Handtuch auf dem Blasebalg, da die Orgel gerade gewartet wird. Damit die Orgel in gutem Zustand bleibt, braucht der Raum immer Luftfeuchtigkeit und darf keinen großen Temperaturschwankungen unterliegen.

Weitere Artikel mit kleinen Details folgen. 😉

Benjamin Hartwich

Benjamin Hartwich, M.A. Medien- und Kommunikationswissenschaften. Privat betreut er mehrere Webprojekte, bloggt und podcastet. In seiner Freizeit gestaltet er seinen eigenen Webradiosender. Mit 14 Jahren hat er ein Schulradio in Augsburg aufgebaut. Neben dem Studium arbeitete er 6 Jahre beim Campusradio Campus Crew als Moderator, Technikleiter, Musikchef und Programmchef mit.

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