Alt werden beim BR

8 Jahre beschäftige ich mich nun schon mit Radio – angefangen beim Schulradio bis hin zum Uniradio. Viele eigene Ideen und Vorstellungen hatte ich bereits für mich gefunden, allerdings kam nun der Punkt, an dem ich die “professionelle Szene” kennen lernen wollte und da fiel mir auch aus meinem Studium nur ein Arbeitgeber ein: Der Bayerische Rundfunk. Insgesamt 2 Monate habe ich dort nun hospitiert und habe neue Eindrücke bekommen.

Journalismus oder Technik

Was beim BR sehr stark auffällt, ist ein gewisses Schwarz-Weiß-Schema: Es gibt kein Crossmedia in dem Sinne, dass man als Medienfachmann sowohl redaktionelle Tätigkeiten hat als auch  technische Abläufe bzw. Entwicklung des Medienprodukts und des Arbeitsumfelds betreibt. D.h. in der Wortredaktion geht es um das Recherchieren und Erstellen von Inhalten, in der Online-Redaktion um das Umgestalten der Inhalte für Online und in der Musikredaktion um das Bestimmen von musikalischem Content. Aber keiner der Bereiche beschäftigt sich mit wirklich aktiv mit Fragen wie: Ist diese Software up-to-date, ist das Vermarkten unseres Contents ausgereift oder ganz allgemein, kann mein PC alles, was ich für den Alltag brauche?

Was also sehr stark auffällt, ist die Beschränkung der Tätigkeit auf das Anwenden und Verwenden der Ressourcen für ein festgelegtes Arbeitsschema, z.B. Wortredaktion. Aber die Weiterentwicklung von Ressourcen wird komplett ausgelagert. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Lautstärkenorm für UKW-Programme auch bei Streams eingehalten wird (-9db) und dann kommt das Signal des Radiostreams viel zu leise am Laptop an. Oder man muss erst googlen, bevor man die Streaming-Links für externe Player, z.B. Winamp, auf der Seite des BR findet.

Das sind alles Kleinigkeiten. Und doch läuft das auf eine Unternehmensstruktur hinaus, in der Innovation, Entwicklung und auch etwas die Atmosphäre für Kreatives bzw. das Denken außerhalb des bisherigen Schemas verhindert wird.

Jamm Jamm

Jeder Mitarbeiter beim BR bekommt jeden Tag einen kleinen Geldbetrag für Essen und Trinken gut geschrieben. Allerdings nützt das nur begrenzt, wenn man einmal im Funkhaus das Essen probiert hat. Dass bei einem solchen Großunternehmen mit vielen schlauen Köpfen, dann so miserables Essen angeboten wird, ist schon erstaunlich. Die meisten Fleischgerichte sind ungenießbar, die  Pommes ebenfalls.

Die Ausbildungsredaktion

Die Organisation von Praktika und allen sonstigen Ausbildungsangelegenheiten übernimmt eine eigene Ausbildungsredaktion. Für einen sicheren Praktikumsplatz sollte man sich bereits ein Jahr im Voraus bewerben, die Zusage erhält man ein halbes Jahr vor dem Praktikum. Verwunderlich nur, dass dann nicht dabei steht, wo eigentlich das Praktikum stattfindet – zumindest war das bei mir so. Nachdem klar war, dass ich bei beiden Abteilungen im Funkhaus München bin, war es umso erstaunlicher, als ich bei der zweiten Abteilung für den ganzen Monat in ein Korrespondentenbüro nach Augsburg sollte.

Bei 400€ pro Monat für ein Zimmer in München eine reife Organisations- / Kommunikationsleistung.

Die Hospitanz

Ich war für einen Monat bei On3 Radio und dann bei der Bayern1 Schwabenregionalredaktion. Beide Abteilungen hatten ein sehr angenehmes Arbeitsklima und die Leute waren sehr freundlich, wobei für junge Menschen rein vom Programm On3 meist interessanter ist.

Wie bei 99% aller Praktika ist man in der Wortredaktion und recherchiert, macht Umfragen, schneidet und macht Beiträge. Der große Vorteile bei On3: Man darf seine Beiträge selber lesen und sogar auch mal live ins Studio, wenn sich ein Kollegengespräch anbietet, also viel machen. Von den Producern dort kann man sehr viel lernen, da es mit die besten im Haus sind und auch journalistisch ist man mehr gefragt: Dadurch dass die meisten Themen immer das normal alte Publikum ansprechen, gilt es besonders bei On3 immer den zweiten Dreh für eben uns junge Leute zu finden. Mein Tipp ganz generell: Wenn dich während der Praktikumszeit z.B. die Tätigkeit des Musikressorts interessiert, dann frag einfach, ob du einmal zuschauen darfst. Leider existiert kein vorgegebenes Rotationsprinzip während des Praktikums.

Auf ein Manko solltest du dich allerdings von vornherein einstellen: Die PCs, mit denen du arbeitest, sind Schrott und WLAN gibt es nicht.

Fazit

Du lernst beim BR, wie ein Hörfunkjournalist arbeitet und wie der Weg dorthin ist. Was du nicht lernst, ist über den Tellerrand hinaus etwas über die Radiotätigkeit zu erfahren – also das Business allgemein – sowie fundierte Kenntnisse in verschiedenen Bereichen zu haben. Der BR versteht also alles, was später hörbar wird als Journalismus, darunter auch die Tätigkeit des Moderators. Um alles andere kümmern sich weitere Abteilungen, ein Einblick ist zwar möglich, aber das aktive Mitarbeiten nicht, d.h. du wirst dort nie Kenntnisse vorweisen können. Ob das für den Beginn einer Radiokarriere ratsam ist?

Sofern man also nicht einfach nur Journalist werden möchte oder nur Techniker, kann ich mich nur den Worten von Valerie Weber von Antenne Bayern anschließen, die bei uns an der Uni einen Vortrag über das Radiogeschäft gehalten hat: “Gehen Sie zu einem Lokalsender – dort “lernen” Sie alles, weil Sie dort überall gebraucht werden – dann gehen Sie zu einem landesweiten Sender und wenn Sie dafür zu alt werden, gehen Sie bei einem öffentlich-rechtlichen Sender in Rente.”

Benjamin Hartwich

Benjamin Hartwich, M.A. Medien- und Kommunikationswissenschaften. Privat betreut er mehrere Webprojekte, bloggt und podcastet. In seiner Freizeit gestaltet er seinen eigenen Webradiosender. Mit 14 Jahren hat er ein Schulradio in Augsburg aufgebaut. Neben dem Studium arbeitete er 6 Jahre beim Campusradio Campus Crew als Moderator, Technikleiter, Musikchef und Programmchef mit.

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